Samstag, 30. Juli 2016

Bewusst langweilen ...

Jetzt werden sich viele ans Hirn hauen und sagen die spinnt. Besonders weil ich davon schreibe, sich bewusst zu langweilen. Wie es kam?

Ich saß in Urlaub und kam nicht so recht runter. Ab und an ist das schwierig für mich, ich bin immer am Denken, habe immer Ideen und bin eher aktiv als dass ich abhänge. Auch ein Grund dafür, wieso ich mich nie in die Rolle des "Patienten" gefügt habe.

Die Rolle des Patienten? Nun, als ich die Diagnose bekam, erwartete man von mir oft, dass ich "ruhig" bleibe. Sprich in der Sofaritze abhänge und warte und sittsam mein Elend MS pflegte, also von Beruf krank war. Gut, das hätte Fräulein Trulla gut in den Kram gepasst, aber es passte mir nicht. Seither bin ich bei der einen oder anderen Person in meinem Leben zum unbequemen und unbeliebten Faktor geworden. Einfach mal eben nur Patient sein, kommt für mich nicht in Frage. :-)

Also bin ich aktiv. Und habe Ideen und werkle daran, sie umzusetzen. Ich bin eigentlich immer irgendwie in Bewegung.
 In Ruhezeiten kann es dann passieren, dass ich zwar irgendwo herumlümmle und nach außen hin den Herrn einen guten Mann sein lasse, aber innen drin läuft der Rechner heiß. Was mich dann nicht so wirklich entspannt werden lässt.
Irgendwo las ich dann im Urlaub davon, sich einfach mal bewusst zu langweilen. Luftlöcher starren, sich bewusst auf einer Liege ohne alles einfach von einer Seite zur anderen wenden und seufzen und derlei.



Gar nicht so einfach sag ich euch. Gedanken kann man nicht einfach abschalten. Immer wieder hüpft einer über den Bildschirm, zeigt einem die lange Nase und schreit "Ätsch" bevor er weiter zieht und einem anderen Thema Platz macht.

Zugegeben, ich habe auch echt ein wenig gebraucht, um diese kleinen Plärrer, die über mein imaginäres Kopfkino hopsten und Parties veranstalteten, aus dem Weg zu kriegen. Aber irgendwann war ich soweit mir zu sagen, ich ignoriere euch und starre. Und es half. Die Hopser verschwanden nach und nach, offenbar waren sie gelangweilt von mir, weil ich ihnen nicht nachhängen wollte. Und die Luft vor mir müsste, wäre sie sichtbar gewesen, ausgesehen haben wie ein gut gereifter Käse. Viele Löcher.

Und irgendwann lag ich da so in einer Hängematte, nach einer ausgedehnteren Wanderung und starrte wieder. Und mir war so richtig schweinelangweilig. Mörderschweinelangweilig.

Normalerweise mag ich keine Langeweile. Aber dieses bewusste Ignorieren bis hin zur Mörderschweinelangeweile der besten Sorte half irgendwann. Ich kam runter und genoss dieses Gefühl. Ich wälzte mich genüsslich seufzend von links nach rechts, verschaffte dem Fräulein Trulla mit Wonne schlechte Laune und begann doch irgendwie, mich zu erholen. Die einzigen Hopser, die ich ab und an zugelassen habe, waren die Luxusfragen, die einen so beschäftigen können wie "Esse ich Burratta mit Rucola zur Vorspeise oder fräse ich mich genüsslich durch die Antipastiauswahl vom Buffet?" oder "Brauche ich vielleicht noch eine Runde Gemüsesticks mit Kräuterdip oder besuche ich das Tiramisu am Kuchenbuffet?"

Das mit der bewussten Langeweile ist also eine gute Sache. Aber  man muss das echt üben. So einfach ist das nicht, weil wir so vielen Reizen ausgesetzt sind, dass wir dafür zu beschäftigt sind, uns darauf zu konzentrieren, den Müßiggang und die Langeweile zu pflegen. Oft genug passiert es, dass wir Ruhe wollen und dann doch noch schnell ein Fachbuch konsumieren, was auch Arbeit ist. Bequemer halt. Aber damit geben wir der inneren Stimme und der inneren Ruhe, die wir eigentlich kultivieren sollten, grad mit MS von wegen Stress und so, keinen Raum. Das habe ich mittlerweile verstanden. Seit ich kapiert habe, wie schön Langeweile sein kann.

Seither ist mir mindestens einmal täglich schrecklich langweilig. Ganz bewusst. Und es tut mir gut. Die kleinen Plärrer gibt es immer noch, aber ich konnte sie reduzieren und sofern ich sie ein bisschen hopsen lasse, suche ich mir die aus, die ich gerne hätte und denke an ihnen ein bisschen herum. Der eine oder andere durfte jetzt auch etwas größer werden. Zu einem anständigen Gedanken mutieren, der vielleicht über die Idee zum Konzept werden könnte und den ich dann weiter denke, wenn mir danach ist und ich im anderen Modus bin.

Langeweile ist schön.

Und Ihr so?

Birgit

Bild: Birgit!


1 Kommentar:

  1. Hallo Birgit,

    ich finde deinen Blog sehr interessant. Ich habe selbst auch einen, wenn Du magst, kannst Du ja mal vorbei schauen unter http://markswellenleben.wordpress.com/

    Gruß Mark :)

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