Donnerstag, 30. Juni 2016

Das Leben geht nicht einfach so weiter ....




Sanduhr, Zeit, Stunden, Sand, Uhr, Eieruhr, Zeitspanne

In den letzten Wochen beobachte ich in vielen Gruppen immer wieder die Frage von neu diagnostizierten MS Betroffenen, wie es weiter gehen soll.

Die eklige Zukunftsfrage mischt sich in Angst, Betroffenheit und Frust oder Depression. Und schwimmt immer wieder eklig auf. Verstehe ich, ist unangenehm und scheiße. Wie soll man bitte über die Zukunft nachdenken, wenn man kaum weiß, was da los ist?


Auf der anderen Seite: Kann man über die Zukunft nachdenken, wenn man MS hat? Wenn eigentlich immer was passieren kann? Kann man?


Nun, so gesehen, die schlechte Nachricht ist: Das Leben nach einer solchen Diagnose geht nicht einfach so weiter.

Man steht nicht am nächsten Tag auf und macht weiter. Frühstückt, zieht sich an, geht arbeiten, erledigt den Haushalt und was sonst noch ansteht. Mit der Diagnose verändert sich die eigene Welt.
Das war bei mir auch so. Ich fühlte mich anfänglich von einem Schatten verfolgt. So nem Zombieschatten, der sogar mit aufs Klo ging. :-) Heute müssen Trullas draußen bleiben. Ähäm... :-)

Einfach so weitermachen ging also nicht. Zumal ich, wie viele andere, die ich so treffe, auch davon ausging, im Rolli zu landen. Sofort.

Hände, Zukunft, Halten, Zeigen, Zeit, Morgen

Nun, mit mehr als 11 Jahren Abstand kann ich sagen:

Ich laufe noch. Und ich habe gelernt: Jeder Verlauf ist anders, Panik ist normal und was wichtig ist, ist Zeit. Zeit sich gut zu informieren und zu versuchen, das zu verstehen, was passiert, soweit man das kann. Es ist wichtig, sich nicht drängen zu lassen, von keinem. Weder von einem Arzt, der sofort auf Therapie besteht oder von einem Angehörigen, der einen auch nur aus Panik heraus schubsten möchte.

Wenn man so eine Diagnose bekommt, ist es wichtig, das eigene Tempo zu gehen. Nicht das, was die anderen erwarten. War bei mir auch so. Als ich langsam verkündete, dass ich MS habe, kamen sie alle. Tu dies! Mach das! Und ja ich kenn auch noch einen ..... bäh..... ich weiß, nicht einfach damit umzugehen, aber lasst euch nicht beeindrucken, nehmt Euch die Zeit, die Ihr braucht. Die anderen stecken nicht in Eurem Leben.

Und genau um das geht es: Ums eigene Leben. Und das kann niemand für Euch leben. Eure Aufgabe ist es, Euch erst mal zu orientieren und dann Euer Leben auch weiter zu leben. Es wird anders, viele Dinge ändern sich, ja, aber auch nicht alle auf einmal. Und es liegt an uns, wie wir mit den anstehenden Änderungen umgehen und in welchem Umfang wir sie zulassen und wann es Zeit dafür ist, sich Unterstützung zu holen.

Also: nehmt Euch Zeit, geht Euer Tempo. Lernt Hilfe anzunehmen und überlegt Euch, wie Ihr was handhaben wollt.



Übrigens, neulich in einem Interview wurde ich gefragt, was ich mache, wenn mir das Fräulein Trulla die Füße wegreißt und mich mit Schwung in den Rolli befördert.

Meine Antwort war, und die meine ich absolut ehrlich: Ich buche mir ein Ticket nach New York und ein Hotelzimmer und ziehe los, erobere trotzdem die Stadt und kaufe mir die schönsten Heels die ich finden kann. Absätze kann ich nämlich nur noch sehr bedingt tragen, was mir richtig weh tut und mir ab und an das Schuh liebende Herz bricht. Das wäre also dann der Moment, in dem ich wieder damit glänzen könnte, ohne mir den Hals zu brechen, weil mein Gleichgewicht nicht mitspielt.

Oder wie eine andere Betroffene sagte: ich mache weiter, ein Rollstuhl definiert mich nicht. Deshalb bin ich nicht weniger ich.

Hat noch jemand von den "Profis" nen Tipp?

Liebe Grüße
Birgit


Bilder: pixabay.com & Birgit Bauer
Text: Copyright by Birgit Bauer 

2 Kommentare:

  1. Wow, toll wie locker du damit umgehst! Aber du hast vollkommen recht, egal was passiert, du bleibst du. Im Übrigen ist das doch dasselbe für alle Menschen, egal, ob sie mit einer Krankheit leben oder nicht: Man weiß nie, was die Zukunft bringt, unsere körperliche Hülle mag sich verändern, aber unser Charakter, also das, das uns ausmacht, bleibt immer gleich. Mir hat sehr geholfen, das Leben einfach als einen Prozess oder einen Bewegungsfluss zu sehen. Wie sich das Leben verändert, so verändert sich eben auch unser Körper. Es git keinen Stillstand, auch zu schönen Zeiten nicht. Stillstand ist das Gegenteil von Leben, deshalb sollte man sich auch nicht wünschen, dass die Zeit stillsteht oder ähnliches. Auch wen eine Veränderung im Leben nicht unbedingt dem entspricht was wir uns wünschen, so gibt es dennoch neben diesem einen nicht so wünschenswerten Aspekt noch tausend andere schöne Dinge, vor denen wir unseren Blick trotzdem nicht verschließen sollten, auch wenn wir manchmal traurig über die eine Sache sind. Mir hat anfangs mein Horoskop geholfen, den Fokus auf das Leben als Ganzes zu legen, auf all die tollen Sachen die mich in der Zukunft erwarten. Irgendwann bin ich zufällig auf schicksal.com gestoßen und habe aus Neugier mein Horoskop gelesen. Jetzt lese ich es manchmal noch immer, weil mir das guttut. So hat eben jeder seine Wege und Mittel, positiv zu denken :) Lieben Gruß, Elisa

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  2. Liebe Elisa, so locker ging ich am Anfang auch nicht mit der MS um. Das kam über die Jahre. Ich denke mir immer, ich kann es im Moment nicht ändern, sich ständig darum zu grämen, bringt nur miese Falten und mich nicht weiter. Da sich aber die WEltkugel eben täglich bewegt und sich dreht, ist es besser, sich selbst auch in Bewegung zu bringen. Etwas, das ich über die Jahre so lernen durfte. Für das ich aber dankbar bin. Und ja, jeder muss das tun, was einem selbst gut tut. Du hast das Horoskop, andere toben sich sportlich aus, wieder andere suchen im Glauben Trost und Mut. Ich bin absolut mit dir, wenn du sagst, dass es neben diesen unerwünschten Dingen auch andere schöne Dinge gibt, die wir sehen sollten. Da ist so viel .... Danke Dir! Liebe Grüße, Birgit

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